Architektenkrieg um Prachtstraße

Innsbruck. Experten beklagen fehlende architektonische Qualität des Kaufhauses Tyrol.

Innsbruck. Tirols Landeshauptstadt ist dabei, ihr neuerworbenes Image als Architekturstadt wieder zu verspielen. Stein des Anstoßes ist erneut das umstrittene Bauvorhaben für das Kaufhaus Tyrol, mitten in Innsbrucks Prachtmeile, der Maria-Theresien-Straße. Hier soll in den kommenden Jahren eine Fassade entstehen, die Fachleute für wenig qualitätsvoll, fad und bieder halten.

Das ursprünglich geplante Bauvorhaben war im vergangenen Herbst noch von einer Fachjury unter den Stararchitekten Marta Schreieck und Quintus Miller ausgewählt worden. Dafür hätten zwei historische Gebäude abgerissen werden sollen. Das Denkmalamt legte sich aber quer und stellte die gesamte Maria-Theresien-Straße unter Ensembleschutz.

Welle der Kritik

Deshalb haben die Investoren rund um den Bau-Tycoon Ren Benko und den Präsidenten der Tiroler Wirtschaftskammer, Jürgen Bodenseer, auf das ursprüngliche Projekt verzichtet. Sie haben auch keinen neuen Architekturwettbewerb ausgeschrieben, sondern kurzerhand den Wiener Architekten Heinz Neumann mit der Planung beauftragt. Mit ihm habe man ein „Schwergewicht der Wiener Architektur“ gewinnen können“, wird Benko zitiert. Das erste Siegerprojekt sei insgesamt 47-mal überarbeitet und schließlich als „nicht konsensfähig“ verworfen worden.

Demgegenüber wurde Neumanns Entwurf schließlich auch vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur als übergeordnete Instanz des Bundesdenkmalamts genehmigt. Seit das Projekt aber Ende April vorgestellt wurde, reißt die Welle der Kritik nicht ab.

Die ehemalige Juryvorsitzende Marta Schreieck etwa spricht davon, dass bei der Realisierung dieses Projekts alle verlieren würden, „die Baukultur, der Denkmalschutz, die Stadt, die Maria-Theresien-Straße und das Kaufhaus Tyrol“.

Architekturkritiker Otto Kapfinger hat ein Gutachten über den Fassendenentwurf für die Architektenkammer verfasst. Er charakterisiert darin das Neuvorhaben als „eine Karikatur sowohl der historischen Qualitäten der Maria-Theresien-Straße als auch der Möglichkeiten zeitgemäßer Architektur in einem solchen Kontext“.

Über die Qualität des geplanten Baus scheinen sich indes auch die Investoren keinen Illusionen hinzugeben: „Er entspricht nicht höchsten architektonischen Qualitätsansprüchen“, sagt Jürgen Bodenseer. Mit-Investor Ren Benko will aber nur dann über eine Neuplanung nachdenken, wenn der Ensembleschutz für die gesamte Maria-Theresien-Straße aufgehoben wird.

„Wer zahlt, schafft an“

Bodenseer wiederum hält grundsätzlich nichts von einem „Wildwuchs an Architektenwettbewerben“. Er möchte stattdessen, dass über solche Bauten „diejenigen im Einklang mit der Bevölkerung entscheiden, die dafür bezahlen“. Die Verantwortlichen der Stadt Innsbruck haben jedoch bislang für Bauten im sensiblen Innenstadtbereich auch von privaten Bauherren architektonische Wettbewerbe verlangt.

Schnell bauen um jeden Preis

Dass man nach monatelangen Auseinandersetzungen mit dem Denkmalamt beim Neubau des traditionsreichen Kaufhaus Tyrol nun nicht am Wettbewerbsergebnis festhält, erklärt Planungsstadtrat und Vizebürgermeister Christoph Platzgummer: „Man kann einem Investor nicht zumuten zu warten, bis so eine Sache höchstgerichtlich entschieden ist. Wir wollen und brauchen das Einkaufszentrum in der Maria-Theresien-Straße.“

Die Devise lautet also: Bauen, so schnell wie möglich.

KAUFHAUS IN ZAHLEN

In Innsbrucks Prachtstraße, der Maria-Theresien-Straße, wollen Investoren um Ren Benko und Jürgen Bodenseer auf 27.500 Quadratmetern ein Einkaufszentrum mit rund 50 Shops errichten. Das Investitionsvolumen für das Großprojekt beträgt 120 Millionen Euro, rund 700 Menschen sollen in dem in zentraler Innenstadtlage gelegenen neuen Kaufhaus Arbeit finden. Als Baubeginn war ursprünglich Sommer 2006 genannt worden, für die Eröffnung Spätherbst 2008.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2007)

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